Kommentar: Was bringt Carsharing?

Guten Morgen liebe Leser,

lang ist es her, dass pe-home.de sich aus der Ecke getraut hat. Ich mache mir derzeit intensiv Gedanken über die Zukunft und zukünftige Beiträge von pe-home.de – wenn meine Pläne stehen, informiere ich meine Leser gerne.

Heute startet die neue Kolumne „Zukunft der Mobilität“, in der es über neue Mobilitätskonzepte in Ballungsräumen und auf dem Land geht. Seid gespannt.

„Carsharing verstopft Innenstädte“

So oder so ähnlich war es auf den Titelseiten großer Zeitungen dieses Jahr zu lesen. Grund dafür waren zahlreiche Studien, die die Zielgruppen, gewünschten Abgaswerte und nicht zuletzt die Anzahl der Autos untersuchten.

Die Carsharing Konzepte kurz vorgestellt

Es gibt zwei verschiedene Carsharing-Konzepte (auf die ich mich beschränken möchte), die beide – sogar in Kombination – sehr nützlich sind. 

Stationsbasiert

Beim stationsbasierten Carsharing, das inzwischen in jeder Stadt mit sechsstelliger Einwohnerzahl in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung angeboten wird, bucht man als angemeldeter Benutzer ein Auto für eine gewisse Zeit in der App vor. Man kann hierbei die Fahrzeugklasse nebst Größe und Ausstattung und die Station, an der man sein Auto abholen möchte, wählen. Abgerechnet wird nach Zeitpreis pro Stunde und gefahrenen Kilometer (dieser Preis ist mit einer gewissen Toleranz an die bekannten Benzinpreise gekoppelt).  Getankt wird unkompliziert mit der Tanzkarte im Auto. Bei der Abholung lässt sich dann entweder ein Tresor mit Schlüsseln mit der Kundenkarte oder das Auto direkt mit der Karte öffnen. Sogar kleine Umzugstransporter lassen sich so bequem anmieten. Am Ende der Miete bringt man das Auto zur Station zurück und hängt den Schlüssel wieder ein. Fertig.

Free-Floating Carsharing

Dem stationsbasierten Konzept komplett entgegengesetzt ist das sogenannte Free-Floating-Carsharing. Hier stehen die Autos nicht an festgelegten Stationen, sondern können im gesamten Stadtgebiet (hierfür ist ein jeweiliges Kerngebiet vom Anbieter festgelegt) kostenlos geparkt, gebucht und zurückgegeben werden. Die Autos stehen auf öffentlichen Straßen, Plätzen und Parkplätzen von der Stadt, für die man Parkgebühren entrichten muss. Das Besondere hier: Die Parkgebühren bei der Stadt für öffentliche Parkplätze sind hier schon bezahlt. Man kann das Auto bedenkenlos auf öffentlichen Parkplätzen parken und zurückgeben. Hier wird pro genutzte Minute abgerechnet. Sitzt man im Auto fängt die Uhr an zu ticken. Sobald man aussteigt und das Auto der Community wieder zur Verfügung stellt bekommt man direkt die Abrechnung der Fahrt zugeschickt.

Daneben gibt es diverse Sondergebühren, auf die man einen Blick werfen sollte, darunter:

  • Einwegfahrten zum Flughafen
  • Entlegene Gebiete, die einen Aufschlag für das Abmieten kosten
  • Gebühren für die Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten *

*(diese Gebühren fallen auch beim stationsbasierten Carsharing an)

Ein Nachteil von Free-Floating Carsharing gibt es jedoch: Wohnt man nicht im Bediengebiet / Kerngebiet des Anbieters wird es sehr schwierig, die Angebote zu nutzen.

Hat man eine Ausleihstation (stationsbasiertes Carsharing) für Autos direkt vor der Haustür, was in ländlichen Gegenden durchaus der Fall sein kann, sieht es schon besser aus. Immerhin hat man so die Möglichkeit auf ein Auto im Bedarfsfall zuzugreifen und sich kein eigenes anschaffen zu müssen. Und genau da muss die Reise auch hingehen…

Warum Carsharing

Kapazitätsengpässe

Ich war lange ein Verfechter des ÖPNV und der komplett autofreien Städte. In meiner Heimatstadt Karlsruhe (300k) hat Mobilität auch gut funktioniert. Doch in einer Millionenstadt wie Köln sieht man sich anderen Problemen gegenüber: Die Großstädte und ihr ÖPNV-Netz platzt aus allen Nähten. Die Bahnen sind rappelvoll, das Netz überlastet und die Fahrzeuge veraltet. Das alles hat Verspätungen und Verzögerungen zur Folge, die an den Nerven der Pendler zerren – Tag für Tag. Es werden neue Lösungen für Großstädte gebraucht. Ich sehe Carsharing grundsätzlich als sinnvolle Ergänzung zum ÖPNV-Netz.

Wahl des richtigen Verkehrsmittels

Es kommt immer auf die Strecke und mein Ziel an: Ich wähle flexibel zwischen Carsharing, Bikesharing und ÖPNV. Für eine Fahrt in die Innenstadt, wähle ich die Bahn oder das gemietete Leihrad. Für die Fahrt durch die Dunkelheit und um schnell Zuhause anzukommen das Auto. Für IKEA-Einkäufe nutze ich stationsbasiertes Carsharing mit einem Ford Focus oder Transit.

Natürlich führt eine schlechte ÖPNV-Anbindung des eigenen Wohnorts zu einem größeren Anteil der Carsharing-Nutzung. In die Berechnung möglicher Alternativen, um an das eigene Ziel zu kommen, fließen natürlich auch Ortskenntnisse ein: Findet man nur sehr schlecht einen Parkplatz wird es ganz schnell sehr teuer mit Carsharing.

Wer die Wahl aus allen Alternativen hat, der ist in einer luxuriösen Situation und sollte diese auch nutzen.

Warum kommt es nun (noch) zu keiner Entlastung in den Innenstädten

Zahlreiche Studien wettern gegen Carharing. Man bekommt das Gefühl, es gäbe genauso viele Gegner wie Befürworter. Wir kommentieren kurz die Schlagzeilen des Jahres zum Thema Carsharing:

Carsharing senkt nicht die Zahl der Autos

https://www.n-tv.de/auto/Carsharing-senkt-nicht-die-Zahl-der-Autos-article20730672.html

Natürlich nicht. Warum sollte man das auch vorhergesagt haben? Das Thema Carsharing ist noch recht jung und steckt noch in den Kinderschuhen. Es gibt viele Nutzer, die Carsharing einfach mal ausprobieren oder gerade erst auf den Geschmack kommen. Wer erstmal ein eigenes Auto besitzt, wird es so schnell nicht abschaffen – Carsharing hin oder her. Problem hierbei: Carsharing wirkt auf den ersten Blick erstmal teuer.

Zielgruppen

Werfen wir mal einen Blick auf die Zielgruppen, die im Bediengebiet wohnen: Meiner Meinung nach ist Carsharing auch eine Generationenfrage. Junge Berufstätige, die sehr zentral in Großstädten wohnen, verzichten schon oft auf ein eigenes Auto. Diese sind so stark an ÖPNV gewöhnt und genießen es so kostengünstig zu reisen, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, etwas zu verändern. Und wenn dann mal Kinder ins Haus stehen, dann kaufen sie sich ein Auto. Ein Umdenken erfolgt bei dieser Zielgruppe nur sehr langsam. Bis man beobachten kann, dass jene komplett auf Carsharing setzen, werden meiner Meinung nach noch einige Jahre vergehen. 

Diejenigen, die mit den Mobilitätsangeboten ihrer Stadt nicht zufrieden sind kommen gerade erst auf den Geschmack. Berufstätige, die noch nie ein Auto besaßen, haben jetzt eine echte Alternative zum ÖPNV. Das führt zunächst zu mehr Autos auf den Straßen und weniger Menschen in den Bahnen. Sicherlich werden auch einige dabei sein, die aufgrund ihrer Carsharing-Erfahrungen ein Auto kaufen. Auf der anderen Seite wird es aber auch sicherlich Leute geben, die auf den Autokauf verzichten, weil sie wissen, dass sie immer ein Leihauto in der Nähe haben. Das lässt sich aber jetzt noch nicht beobachten.

Und natürlich ist der Anteil derer, die Carsharing nutzen und Auto-affin sind, aufgrund der Premiumausstattung in den Fahrzeugen höher als man denken könnte. Wenn diejenigen dann das eigene Auto stehen lassen, blockieren sie allemal den heimischen Parkplatz und steigern so nicht den Anteil der fahrenden Autos auf den Straßen. Diejenigen, die ihr Auto aufgrund des neuen Angebots verkaufen, sucht man vergeblich. Dazu ist Carsharing noch nicht genug in den Köpfen angekommen und die Infrastruktur in den Städten noch zu schlecht ausgebaut.

Insgesamt steigt die Anzahl der Autos auf den Straßen, weil Bewohner sowohl das eigene Auto als auch Carsharing nutzen. Außerdem werden derzeit immer noch Carsharing-Stationen eröffnet, um die Menschen zur Nutzung von stationsbasiertem Carsharing zu bewegen. Das führt zunächst zu einer erhöhten Anzahl. 

Schadstoffbelastung nicht gesunken

Natürlich steigt auch die Schadstoffbelastung zunächst nicht, wenn die Anzahl der Autos zunächst zunimmt. Selbst in Stuttgart, wo man mit Carsharing hauptsächlich elektrisch unterwegs ist, ist die Schadstoffbelastung nicht richtig gesunken. Und woran liegts?

Es sind immer noch viel zu viele Menschen mit (eigenen) dicken Autos unterwegs, die unheimlichen Dreck in die Luft pusten. Elektroautos sind zu teuer und die Akkus sind noch nicht richtig entwickelt. Es gibt zu wenig Ladeinfrastruktur – das fängt am Parkplatz um die Ecke an und endet in Privatgaragen. Auch der Standard für die Steckverbindung, um Elektroautos zu laden, fehlt noch.

Fazit: Es ist noch zu früh…

…Schlüsse aus der Carsharing-Nutzung in den Innenstädten zu ziehen. Die Konzepte sind gerade mal in den Köpfen angekommen. Wenn die Ladeinfrastruktur mal aufgebaut ist, werden wie in Stuttgart nur noch Elektro-Smarts und in Hamburg (schon bald) BMW i3s über die Straßen rollen. Und zwar zu einem erschwinglichen Preis.

Lest bald meinen Bericht über Was kostet Autofahren ohne eigenes Auto in Köln.